Keramik Magazin, nr. 1/2000, Februar/März
Die Selbstverständlichkeit des Porzellans von Paula Bastiaansen ruft unwiderstehlich Assoziationen mit der lebendigen Natur hervor und fasziniert immer wieder durch ihre Schönheit. In der Fragilität der Arbeiten fühlt man die Suche nach dem Unfassbaren und ebenso eine Kraft, die sich scheinbar von der Materie loslösen will.
Paula Bastiaansen (geb. 1953) hat für ihre Entwicklung als Keramikerin nicht den kürzesten
Weg gewählt.
Sie begann ihr Studium 1978 an der Kunstakademie von Den Bosch. Bei dem Besuch einer Ausstellung
im Museum Princessehof in Leeuwarden sah sie Porzellanarbeiten von dänischen und norwegischen
Keramikerinnen. Die Transparenz und Zerbrechlichkeit des Porzellans beeindruckte sie tief. Gerade
in einer Zeit, da man der Keramik einen erdigen Charakter zuschrieb, wollte sie damit arbeiten.
Ihre Dozentinnen unterstützten sie wenig. Paula Bastiaansen, meinte man, wolle etwas, was
unmöglich sei: dem Ton die Schwere nehmen, ihn dadurch in etwas ganz Neues verwandeln.
Schon ihre letzten Arbeiten an der Akademie sind als Vorläufer ihrer heutigen
Stücke zu erkennen.
In der Form ähnlich wie Amphoren, wiesen die Keramiken Strukturen auf, wie sie - wenn auch
auf ganz andere Art - noch heute zu erkennen sind, und auch die Suche nach Leichtigkeit und Transparenz
ist hier schon spürbar. Wenn sie heute zurückblickt verwundert sie, dass sie damals
eine Wandstärke von drei Millimetern als dünn empfand.
Bastiaansens Formen veränderten sich; sie wurden dünner und leichter - aber es war noch nicht, was sie eigentlich suchte. Sie stellte aus, bekam lobende Kritiken, aber war selbst noch lange nicht zufrieden. 1995 entschloss sie sich, ihre Arbeiten nicht länger zu zeigen. Sie wollte sich Zeit nehmen, nicht für die nächste Ausstellung arbeiten, sondern nach der Dimension suchen, die sie, wie in dichtem Nebel, vor sich sah. Diese Entscheidung gab ihr einerseits ein Gefühl von Freiheit. Aber da war auch die Angst: Was, wenn es nun unmöglich wäre, dass ...
Heute arbeitet sie ihre Stücke aus Bone China (Knochenporzellan).
Der erste Schritt ist eine Zeichnung. Diese wird als dreidimensionale Form modelliert. In
das Porzellan werden Farbpigmente eingearbeitet. Dann wird die Masse mit einem Wellholz zu unendlich
dünnen Lappen ausgewellt, und es werden Formstücke herausgeschnitten, die - sich gegenseitig
überlappend - in eine Steingutform eingelegt werden. Wo sich die Porzellanstücke überlappen,
entsteht eine Art Skelettstruktur. In den "Fenstern" dieser Konstruktion ist das Material
beinahe durchsichtig.
Eine Technik, mit der die Keramikerin stets auf des Messers Schneide balanciert; immer wieder geschieht es, dass Stücke misslingen. Äußerste Konzentration verlangt vor allem der Arbeitsrhythmus im Hinblick auf die Feuchtigkeit des Materials. Die Erfahrung lehrte sie, dass die Porzellanstreifen nicht breiter als 10 mm sein dürfen, was vor allem mit der Trockenschwindung des Materials zu tun hat. Ohnehin schwindet die eingefärbte Masse mehr, als nicht eingefärbtes Material. Neben der Erfahrung erfordert das Meistern dieser Probleme den so genannten sechsten Sinn.
Der eigentliche Casus Belli jedoch steht an, wenn die Form entsteht.
In einem einzigen rhythmischen Schwung wächst das Stück, gestützt durch eine schalenartige
Keramik, in die die Porzellan-"Rippen" eingelegt werden. Spätere Veränderungen
sollten möglichst nicht vorgenommen werden müssen. Beim Trocknen löst sich das
so entstandene Volumen aus der Mutterform wie aus einer Kruste, wie ein Weichtier aus seiner Schale,
eine beinahe erotische Verführung, in prächtigen Farben, um dann zu erstarren, durchsichtig
wie ein leichtes, im Wind wehendes Sommerkleid.
Ihre neueren Arbeiten sind in der Bewegung ruhiger, stiller in der Form. Diese wirken wie eine Projektion aus unbekannten Feenreichen, und es verlangt einen danach, diese Stücke zu berühren, um ihre Echtheit zu prüfen. Doch ihre hauchdünne Zerbrechlichkeit gebietet hier Einhalt - was bleibt, ist einen Blick auf flüchtige Momente der Unendlichkeit geworfen zu haben.
Seit 1997, endlich zufrieden mit ihren Ergebnissen, zeigt Paula Bastiaansen ihre Stücke wieder
und ist seitdem der Shooting Star der Szene. Was damals bei Carla Koch in Amsterdam zum ersten
Mal zu sehen war, ging mittlerweile nach Japan, Irland, Deutschland und Belgien - und stets ist
Paula Bastiaansen neugierig darauf, wie das Publikum auf ihre Arbeiten reagiert.
Übersetzung: Fritz Schremmer
Fotos: Marja van Hassel
Autorenhinweis: Rebecca Nelemans ist Kunsthistorikerin.