Neue Keramik/New Ceramics - nr. 5 september/oktober 2004
Paula Bastiaansen bewegt sich mit ihrer Behandlung des Materials außerhalb des Üblichen im Porzellanbereich. Hier wird die Transluzens des Materials, eine seiner besonderen Eigenschaften, noch mals überhöht. Nicht die Eigenschaft des Lichtdurchlässigen, die Durchsichtigkeit und somit Leichtigkeit des Materials wird von ihr beschworen, sondern deren Schwester, Immaterialität: Schwerelosigkeit und Dynamik der Bewegung findet in Paula Bastiaansens Arbeiten ihren Ausdruck. Das Material hat seine Irdigkeit verloren und zeigt nur noch die ideelle Seite seiner Stofflichkeit.
Schon früh, während ihres Studiums an der "Koninklijke Academie voor Kunst en Vormgeving" in s' Hertogenbosch (NL), geriet
Paula Bastiaansen in den Bann des Porzellans.
"Das ist mein Material" erkannte sie intuitiv.
"Viel zu früh, das kommt später - das Material ist viel zu schwierig" - war die Meinung ihrer Dozenten. Doch das Interesse war
geweckt.
Fasziniert durch dieses eigenartige Material, das sehr schwierig zu bearbeiten ist, entstand bei ihr das Bedürfnis, so viel wie möglich über diesen geheimnisvollen Werkstoff zu erfahren. Sie besuchte viele Kollegen, die auch mit Porzellan arbeiten und lernte von deren Erfahrungen. Ihr Entschluss stand fest, ganz im Gegensatz zum Rat ihrer Dozenten: "Ich werde mit Porzellan arbeiten!" Das hiess aber, dass der Weg voller Enttäuschungen sein würde.
Am Anfang ihrer Berufspraxis hörte sie noch oft, wie ein Echo, die warnenden Worte ihrer Dozenten, wenn das Porzellan seinen eigenen Willen durchsetzte, und wieder einmal nicht das tat, was sie wollte: "Was du mit Porzellan machen willst, das geht nicht!"
Regelmässig erschienen ihre Arbeiten auf Ausstellungen. Die Reaktionen des Publikums waren ausgesprochen positiv. Nur sie selbst war nie richtig
zufrieden. Sie entschloss sich vorläufig nicht mehr auszustellen und sich ganz ihren Untersuchungen zu widmen.
Sie zog sich zurück in ihr Atelier.
Mit einer beinahe klösterlichen Hingabe entwickelte sie Schritt für Schritt, mit Erfolgen und Rückschlägen, einzigartige Porzellanformen.
Nach dieser Periode kam der Zeitpunkt, zu dem ihre Arbeiten den sicheren Schutz des Ateliers verlassen durften. Sie wandte sich an die renommierte
Galerie Carla Koch in Amsterdam. Carla Koch stellte ihre Arbeiten aus und danach ging es ziemlich schnell. Ihre Arbeiten fanden ihren Weg über
die Kontinente.
Die Einzigartigkeit dieser Arbeiten liegt in der von ihr entwickelten Arbeitsweise, zu der bisher nichts Vergleichbares zu finden ist. Der visuelle Eindruck dieser Arbeiten lässt alle Fragen über die Technik vergessen. Es entsteht der Eindruck, als ob diese Arbeiten nicht gemacht, sondern gewachsen wären.
Viele Keramiker die mit Porzellan arbeiten, versuchen die Wandstärken ihrer Arbeiten so dünn wie möglich zu gestalten, um die Transparenz des Materials zu offenbaren. Paula Bastiaansen geht dabei bis an den Rand des Möglichen. Durch die Transparenz die sie damit erreicht, bekommt man das Gefühl, als ob diese Objekte gewichtslos seien, als ob der Wind sie eben entführen könnte.
Sie ist fasziniert durch das Phänomen der allumfassenden Bewegung, die sich auf allen kosmischen Niveaus manifestiert, im Besonderen durch Bewegungskomplexe, die als Spiralformen erscheinen, wie Wirbelstürme oder Spiralnebel, so wie unsere Milchstrasse. Sie wirken wie verzaubert, durch ihre ätherische Transparenz.
Der Ursprung dieser Arbeiten ist in der auf der Töpferscheibe gedrehten Gefässform zu finden. Die Seele dieser Form ist eine Spirale. Im Nachhinein war die Zeit, die sie zubrachte, um das Porzellan auf der Töpferscheibe zu untersuchen, bedeutend für ihre Entwicklung. In ihren heutigen Arbeiten ist der Nachklang davon noch spürbar. Es scheint, als ob diese Gefässformen unter dem Druck der zentrifugalen Bewegungskräfte explodierten, wie unsere Milchstrasse in Urzeiten, und in der Dynamik dieser Kräfte, wie in einer tanzenden Bewegung, erstarrten.
Paula Bastiaansen baut ihre Arbeiten aus dünnen Streifen Porzellan, von ungefähr einem Zentimeter Breite auf, die manchmal kaum einen
Millimeter dick sind. Dieses "Aufbauen" ist das Resultat einer bestimmten Formidee, die als Struktur auf Papier gezeichnet ist.
Darauf wird eine dünne Plastikfolie gelegt, worauf diese Porzellanstreifen ihren Platz finden in der Ordnung der darunterliegenden Zeichnung. Darüber
kommt wieder eine Schicht Folie. Diese Sandwichkonstruktion wird zunächst "eingerollt" und danach in einer Steingutform wieder "ausgerollt".
Dieses "Ausrollen" bestimmt die dreidimensionale Form und muss in einer fliessenden Bewegung ausgeführt werden. Eine Korrektur ist
nicht mehr möglich. Das Porzellan hat seine eigenen Gesetze.
Nach dem Trockenen wird die Form dem Ofen anvertraut, in der sie bei einer Temperatur von 1260° Celsius gebrannt wird. Bei dieser Temperatur
sintert das Porzellan, das heisst auch, es schwindet. Es erhält hell-rotglühend seine endgültige Form.
Aber erst wenn der Ofen geöffnet wird, enthüllen Paula Bastiaansens Werke ihre ultimative Realität.
PAULA BASTlAANSEN erhielt in diesem Jahr den "Bronce Price" der "2004 Taiwan Ceramics Biennale" in Taipei.
Ihre neuesten Arbeiten werden vom 11. September bis 08.
Oktober 2004 in der Galerie Carla Koch in Amsterdam, Prinsengracht 510, Tel.:+31-20-639.0198, zu sehen sein.